Redesign der Ausstellungskommunikation
des Musée du Louvre

Voilà, der folgende Überblick dokumentiert die Konzeption eines Systems für Ausstellungsplakate des Musée du Louvre im Rahmen der Mitarbeit im Atelier de Création Graphique von Pierre Bernard in Paris, gemeinsam mit Pierre Bernard und Sacha Léopold. Grundlage dieser Arbeit ist die seit 1993 bestehende, ebenfalls vom Atelier entworfene visuelle Identität des Louvre. Darauf aufbauend haben wir versucht, ein Plakatsystem zu entwickeln, das der historischen Dimension des Museums wie auch seiner Rolle als kulturtragende Institution in einer modernen Gesellschaft gerecht wird.

Plakatentwurf für die Ausstellung «Francisco Goya, Image des femmes»

Vorab

Als eine der bekanntesten Museumsmarken überhaupt zieht der Louvre jedes Jahr Heerscharen von Besuchern – mehrheitlich Touristen – in seine Ausstellungen und zahlreichen Museumsshops. Wie kaum ein anderes Museum evoziert dabei der Name Louvre Bilder seiner monumentalen Architektur, des historischen Palais und der Pyramide über dem Eingangsbereich, von ausladenden Galerien im Inneren, von einigen berühmten Kunstwerken … Angesichts ihrer massenhaften Repetition sind diese Bilder des Louvre – darin teilt er das Schicksal aller touristischen Sehenswürdigkeiten – zu seinem eigenen Klischee geworden und beeinflussen auf entsprechende Weise seine Wahrnehmung als Museum.

Reiterstandbild Ludwigs XIV. vor dem Palais du Louvre
© BlackMac – stock.adobe.com

Die Inszenierung von Ausstellungen – die regelmäßig nach kulturell etablierten Kriterien Ordnung in die Kunst zu bringen sucht – bettet die Exponate in einen Kontext ein, der weit davon entfernt ist, neutral zu sein: Die Erwartungshaltung des Publikums trifft auf die konkrete (räumliche) Erfahrung. Insofern, als sich die Ausstellungsplakate zwangsläufig auf genau diesen Kontext beziehen, erscheint es für deren Konzeption naheliegend, ihn vorweg in Betracht zu ziehen.

1.

Betrachtet man die museale Plakatlandschaft im Allgemeinen als Ausdruck der Ziele und Konzepte ihrer Protagonisten, erscheinen diese auf merkwürdige Weise nivelliert: Stets füllt die Reproduktion eines repräsentativen Exponats die Fläche. Das Ausstellungsplakat ist reines Zitat, die Platzierung des Werkes im Format erfolgt streng nach den Regeln der Kunst. Diese Exponat-Darstellungen der Museen orientieren sich an einer Ökonomie, die die Warenform als natürlichen Zustand kultureller Güter betrachtet, sie unterscheiden sich wenig vom heute omnipräsenten und immer die gleichen Klischees reproduzierenden Modus der Produktfetischisierung.

Warum sich dieser Herausforderung nicht annehmen? Statt die Ausstellungskommunikation bloß in Hinblick auf die Fabrikation eines Images, das oft nur auf sich selbst verweist, zu betrachten, böte sich die Gelegenheit an, um die Rolle des Museums als Ort und Akteur zu thematisieren, zu interpretieren und so seinen Diskurs zugänglich zu machen, ihn möglicherweise zur Disposition zu stellen.

2.

Aus dem einfachen Versuch, die räumliche Situation der Ausstellung von Kunst fotografisch sichtbar zu machen, entwickelte sich ein erster gestalterischer Ansatz. Dieser thematisiert – recht selbstreferenziell – den Zusammenhang zwischen plakativer Ankündigung und der Ausstellung, indem er auf das Spannungsverhältnis zwischen der Abbildung einer Kunstreproduktion auf einem Plakat und der physischen Gegenwart des Dings Kunstwerk verweist. In erster Linie geschieht das durch die Verzerrung des Bildrahmens relativ zur darin eingefassten, flachen Reproduktion – beide treten in einen mehr oder weniger offensichtlichen, räumlichen Widerspruch zueinander.

Später wird die Werk-Reproduktion durch eine Fotografie des Exponats im Ausstellungsraum ersetzt, um den formalen Kontrast der verschiedenen Raumwirkungen deutlicher zu gestalten. Die konkrete räumliche Verzerrung von Bildelementen als systematisierter Gestaltungseingriff erweist sich jedoch als zu manieristisch und in ihrer formalen Qualität als zu beliebig – sie wird im Zuge der weiteren visuellen Recherche nach und nach verdrängt. Der zugrundeliegende Gedanke einer räumlichen Inszenierung bleibt dennoch bestehen: Er findet schließlich auf abstraktere und komplexere Weise in den Entwurf.

3.

Die Reproduktion des Kunstwerks steht auf einer Schwarz-Weiß-Fotografie des Palais du Louvre, verdeckt diese soweit, dass kaum mehr als emblematische Details der Architektur zu erkennen bleiben. Dieser auf ästhetischer Ebene zunächst recht banal, weil stereotyp erscheinende Zusammenhang wird ergänzt durch den Einwurf einer schwarzen und einer weißen rechteckigen Fläche, die sich dazwischen und davor schieben. Formal nimmt dieser Systemansatz mehrfachen Bezug auf die existierende Logotype und ermöglicht gleichzeitig, die Marke in den Zusammenhang der Bildebenen einzubinden und damit dem gesamten Plakat als Identifikationssystem mehr Gewicht zu geben.

Aus dem Bezug der Flächen und Elemente zueinander entsteht aufs Neue ein Raum, der gerade durch seine Komplexität das jeweils zur Ausstellung stehende Werk in den Vordergrund rücken lässt. Gleichzeitig hebt diese Mehrschichtigkeit die Bildoberfläche aus dem Einerlei der vollformatigen Pseudo-Kunstdrucke heraus und lässt sie ihrer Bestimmung näher kommen: Plakat zu sein.

4.

Bei den Verantwortlichen im Louvre trafen die präsentierten Entwürfe auf gewisse Vorbehalte. Schnell fanden wir uns in einer eher formal geprägten Debatte wieder, die erkennen ließ, dass der von uns verfolgte Diskurs es schwer haben würde, ins Selbstverständnis des Louvre vorzudringen: Allgemein empfand man dort das System als zu kompliziert, die Werk-Abbildung in der Komposition der verschiedenen Bildebenen zu wenig präsent. Andererseits fand die schwarze Fläche, die sich im Stil einer Kartusche für den Ausstellungstitel etabliert hatte, Gefallen und das prominente Datum zumindest keine Ablehnung. Wir einigten uns darauf, das Konzept dahingehend weiter auszuarbeiten.

Auch wenn ‹der Louvre› den Eindruck machte, eher bei der eingeübten Darstellungs- bzw. Reproduktionsweise bleiben zu wollen, haben wir an unserer Auffassung, das Werk nicht zum Plakathintergrund zu machen (und das Plakat nicht zum widerwilligen Platzhalter, wo alles, was auf dessen Funktion hinweist, den erzwungenen Schein der Kunstautonomie stört) erst einmal festgehalten …

5.

Wir nahmen in diesem Sinne schließlich mehrere Veränderungen am Systementwurf vor, die den Bildeindruck insgesamt etwas beruhigen, die aber nach wie vor dem Ansatz folgen, das Werk gerade durch seine Integration in die Vielschichtigkeit der Plakatoberfläche, durch die Störung seiner vermeintlichen Autonomie als vielsagendsten Teil hervorzuheben. Dieses Vorhaben lehnten die Entscheidungsträger im Louvre jedoch in dem Maße weiterhin ab, wie es die bekannten Maßstäbe der Ausstellungskommunikation verkehrt und ‹das Kunstwerk› zu einem Teil der grafischen, der angewandten Gestaltung macht.

Von dem ausgearbeiteten Konzept blieb schließlich wenig mehr als die schwarze Titelkartusche, die mit ihrer feinen weißen Typografie, isoliert betrachtet, formal ins Klischee zu passen schien, die Werk–Reproduktion kehrte in bekannte Dimensionen zurück. In einem von zwei alternativen Vorschlägen versuchten wir, durch das übergroße Datum etwas der von uns angestrebten Energie zu erhalten. Was auf den ersten Blick den banalen, werbenden Charakter des Plakats verstärkt, ist in Anwesenheit der Werk-Reproduktion ein interessanter Bruch: Er nähert die Kunst-Abbildung durch das Plakat an den öffentlichen Kontext an, in dem sich dieses als Stellvertreter des kulturellen Geschehens befindet. Im Gegensatz zu seinen zahlreichen, stummen Zeitgenossen, die in ihrer bemühten Erhabenheit distanziert und passiv aus dem Format blicken, erscheint auf diesem Ausstellungsplakat ‹die Kunst› weniger restriktiv-elitär und zugänglicher.

Am Ende wurde die Umsetzung des Projektes vollständig aufgegeben. In der Folge gab es von unterschiedlichen Seiten mehrere weitere Versuche, eine eigenständige visuelle Identität des Louvre zu etablieren, die, obwohl interessant, nicht von längerer Dauer waren.

Zum Thema ist im Online-Magazin t-o-m-b-o-l-o.eu ein sehr lesenswerter Artikel der französischen Designtheoretikerin Vanina Pinter erschienen: http://www.t-o-m-b-o-l-o.eu/meta/le-musee-du-louvre-doit-etre-le-musee-par-excellence/